14/24 Handlungsoption: Klima-, Natur- & Artenschutz

Ein Geschenk der agu-Schwelm: Deren Vorstands-Mitglied und Mit-Initiator Michael Treimer teilt dankenswerterweise wieder einmal sein Wissen und zeigt auf, was jede/r einzelne sofort selbst tun kann. Was ändert sich durch die Klimakrise, und was kann jeder Einzelne tun?

Natur ist Leben

Klimawandel, Naturschutz und Artenschutz in Schwelm

Alleine kann keiner die Welt retten – das ist klar. Aber was jeder und jede von uns trotzdem dafür tun kann, das erfuhren jetzt die Vertreterinnen und Vertreter der Schwelmer & Soziale. Zur informativen Vertreterversammlung, die immer am Ende des Jahres stattfindet, konnte Aufsichtsratsvorsitzender Lothar Feldmann diesmal Michael Treimer als Referenten begrüßen. Der frühere Direktor der Hauptschule West, der als Mitbegründer der Schwelmer Aktionsgemeinschaft Umweltschutz (AGU) schon seit den 80er Jahren in vorderster Front für unsere Umwelt aktiv ist, wurde 2014 für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Global denken, lokal handeln

„Das Thema Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“, eröffnete Feldmann. „Und es geht längst nicht mehr um die Eisbären am Nordpol, auch die Lebensverhältnisse hier in Schwelm sind inzwischen betroffen. Der Rückgang der Artenvielfalt und das Insektensterben haben vielfältige Auswirkungen.“ Treimers Vortrag „Klimawandel, Naturschutz und Artenschutz“ begann mitten im EN-Kreis: mit Bildern von abgestorbenen heimischen Fichten, die aufgrund der Hitze und Dürre der beiden vergangenen Sommer vom Borkenkäfer befallen sind. „Das heißt aber nicht, dass unsere Wälder jetzt generell bedroht sind. Es ist vielmehr eine Aufgabe nicht nur der Waldbauern, jetzt andere Baumarten zu pflanzen, die nach bisherigem Wissen besser mit dem veränderten Klima zurechtkommen.“

Klimawandelanpassung: Amberbäume, ein Farbtupfer

Sein nächstes Bild zeigte prachtvoll bunt gefärbte Bäume am Schwelmer Brunnen. „Das sind Amberbäume. Die halten nicht nur mehr Hitze aus, sondern sind gerade im Herbst ein toller Hingucker im Stadtbild. Man sieht also, auch unsere Stadtgärtner haben das Thema auf dem Schirm.“ Auch verwies er auf eine Aktion, bei der engagierte Bürger zusammen mit der AGU als Sponsoren auftreten und  gemeinsam mit den Technischen Betrieben Schwelm (TBS) planen, 29 entsprechende Bäume zu pflanzen – Arten, deren Holz CO2 speichert und deren Kronen Schatten und Kühle spenden.

Folge von Klimawandel: Starkregen

Ein neues, klimabedingtes Problem ist auch der Starkregen, wie er im vergangenen Jahr Wuppertal überflutete. „Das kann natürlich auch in Schwelm passieren. Doch auch hier tut die Stadt etwas: An den Straßenrändern werden überall Überlaufbecken gebaut, und unterhalb des Eisenwerks – wo nördliche und südliche Schwelme aufeinandertreffen – wird demnächst eine Engstelle in der Kanalisation beseitigt.“

Günstiges Stadtklima in Schwelm – ein Glücksfall, den es zu erhalten gilt; Bedrohung: Bebauung

Das Stadtklima in Schwelm, so Treimer, sei ein günstiges: Durch die Hanglagen im Norden und Süden sowie bewaldete Höhen und Siepen (schmale Täler) wird die Stadt gut belüftet und auch im Sommer mit frischer, kalter Luft versorgt. „Das ist ein Goldstück für unser Stadtklima!“ In der flachen Senke von Linderhausen dagegen sei die Belüftungssituation schon jetzt ungünstig, weshalb – einem Gutachten von Dr.  Monika Steinrücke folgend – dort von einer weiteren Bebauung abzuraten sei.

Klimaphänomene in der heimischen Natur

In der heimischen Natur seien gleich mehrere klimabedingte Phänomene zu beobachten. Etwa das Abnehmen der Insektenvielfalt: Teilweise, so Treimer, bekomme man heute in der Stadt mehr Insekten zu sehen als auf dem Land – gerade in Städten mit engagierten Bürgern, die Blühstreifen anlegen, Beete oder Gartenteiche, gebe es oft mehr Insektenarten als in den großen Agrargebieten wie etwa in Schleswig-Holstein, wo der jahrzehntelange Einsatz von Insektenvertilgungsmitteln seine Wirkung zeigt. Allerdings, brach Treimer eine Lanze für die Bauern, werde es ihnen seitens der Politik auch nicht leicht gemacht auf konventionellen Ackerbau zu verzichten.

Bedrohung: Neophyten (nicht heimische Pflanzen)

Ein Problem in der Pflanzenwelt seien auch die so genannten Neophyten, also Neuankömmlinge, die von irgendwo eingeschleppt wurden. So wie das Himalaya-Springkraut, das im kalten, hohen Gebirge nur winzig wächst, in unseren Breitengraden aber riesige Pflanzen hervorbringt. Auch der Riesen-Bärenklau, in den Sechzigern arglos als Bienenpflanze und im Forstbetrieb in Massen ausgesät, breitet sich heute unkontrolliert aus, ist nahezu unverwüstlich und bereitet mit seinen giftigen Blättern große Probleme. Ein Gewinner, zugleich aber auch Indikator des Klimawandels ist der Admiral: Dieser Schmetterling zog früher jedes Jahr ins Winterquartier am Mittelmeer. Seit dem Jahrtausendwechsel kann er sich das sparen, denn es ist ihm nun ganzjährig warm genug bei uns. Klimaverlierer ist sein goldgelber Kollege, der Kaisermantel. Der liebt es kühl und feucht, weshalb man ihn nur noch selten antrifft.

Artenschwund mit Hängematte verglichen

Treimer verglich den Artenschwund mit einer geknüpften Hängematte: Jeder Knoten ist eine Art, und wenn das Netz engmaschig ist mit vielen Knoten, dann liegt man bequem. Weniger Knoten machen das Liegen ungemütlich – und instabil: Man weiß vorher nicht, welcher Knoten es am Ende sein wird, der durch sein Verschwinden das Netz zum Reißen bringt – und den Menschen zu Fall. Doch wir können auch vor Ort und als Einzelperson dazu beitragen, dass das Netz hält.

Städtische Gärtner*innen-Azubis machen Sinn

Als die Stadt Schwelm noch ausbildete, waren es Aufgabe der Gärtner-Azubis, überall im Stadtbild kleine Blühbeete anzulegen. Die AGU hat dies dann übernommen und beteiligt auch Bürger und Unternehmen daran: Im Rahmen der Aktion „Schwelm blüht auf“ gibt es Samentütchen mit einer bunten Blütenmischung, die Nahrung für die Insekten bietet und einen erfreulichen Anblick für den Menschen – ein Angebot, das in Schwelm seit Jahren sehr gut angenommen wird. Wichtig ist, dass man die blühenden Flächen nur einmal im Sommer mäht, und zwar Anfang August. Auch die AGU nutzt diesen Samen für die von ihr gepflegten Flächen am Tannenbaum. Treimer: „Alle Interessierten lade ich ein, zwischen Mitte Juni und Mitte Juli mal an der Winterberger Straße spazieren zu gehen und sich das anzusehen.“ Auch gab er Tipps, wie man ein „Wildbienenhaus“ alias „Insektenhotel“ anlegt. Wichtig sei auch die Umweltbildung der Kinder. Als Beispiel nannte Treimer die Wald- und Umweltschule Schwelm, ein gemeinsames Projekt von TBS, AVU und der Erfurt-Stiftung, die gemeinsam mit dem begeisterten Nachwuchs beispielsweise das Wasser der Schwelme untersucht. Abschließend lobte Herr Treimer die hervorragende Zusammenarbeit mit der Schwelmer&Soziale.

Genossenschaft nimmt teil an neuer AGU-Aktion

Genossenschafts-Geschäftsführer Berndt Erlenkötter dankte dem Referenten für den höchst informativen und lebendigen Vortrag. Bevor er auf den Vortrag weiter einging, informierte er auf Anfrage eines Vertreters die Versammlung darüber, dass die Genossenschaft natürlich auch die Vermeidung von unnötigen CO2 Ausstoß im Auge habe. So wurden bereits vor 5 Jahren die letzten Ölzentralheizungen durch moderne Gasbrennwerttechnik ersetzt. Die Heiztechnik werde laufend erneuert, so auch im nächsten Jahr weitere Heizzentralen.  Überhaupt habe Naturschutz für die Genossenschaft eine große Bedeutung. Im Wohnquartier Brunnen zum Beispiel unterhält die Genossenschaft ökologische Ausgleichsflächen und Streuobstwiesen alleine mit einer Fläche von über 60 tsd. QM. „Dort haben Sie ja auf einem unserer Teichgrundstücke auch einen Standort und unterstützen uns z.B. mit Obstbaumschneideseminaren“, führte Erlenkötter in Richtung Treimer weiter aus. „Sie stehen uns immer mit Rat und Tat zur Seite und dafür sind wir Ihnen sehr dankbar“, würdigte Erlenkötter die tolle Zusammenarbeit mit der AGU, wie z. B. auch beim Projekt Wildblumenwiesen. Auch an der neuen Aktion Blüten und Insekten, einem Wettbewerb zur insektengerechten Gartengestaltung, werde sich die Genossenschaft an zwei ausgesuchten Standorten ebenfalls beteiligen. Auch die Mieter der Schwelmer & Soziale können an der Aktion z.B. im Rahmen von Vorgartengestaltungen teilnehmen. Hier sollten sich dann Hausgemeinschaften zusammenfinden, die sich mit einem gemeinsam abgestimmten Vorschlag anmelden und auch die spätere Pflege sicherstellen. Gemeinsam mit Herrn Treimer erfolge dann eine Beratung und Abstimmung zur Gestaltung. Es sollte also bitte keine unangemeldeten Einzelaktionen geben, um einen später nicht zu kontrollierenden Wildwuchs zu vermeiden. Informationen und Anmeldeformular zur Aktion Blüten und Insekten sind bei der AGU erhältlich (www.agu-schwelm.de).

Himbeerblütenhonig aus heimischer Produktion

Mit einem Glas Himbeerblütenhonig aus heimischer Produktion überreichte Erlenkötter Michael Treimer, der auf ein Referentenhonorar verzichtete, ein kleines Dankeschön für den Vortrag. „Auch wenn ich damit sicher Eulen nach Athen trage“, so Erlenkötter. Schwelm könne sich glücklich schätzen, so engagierte Menschen für den Umweltschutz zu haben. Um dieses Engagement weiter zu unterstützen und zu fördern kündigte Erlenkötter eine Spende von 1.000,00 Euro für die AGU Schwelm an.

Infokasten: Was jeder einzelne tun kann

  • „Insektenhotels“ anbieten: Fachleute verwenden auch den Begriff „Wildbienenhaus“ – zumal ein Hotel ja keine dauerhafte Bleibe ist. Wichtig ist, dass die Löcher glatt und sauber gebohrt sind und kein (für Insekten nämlich nicht zu erkennendes) Schutzgitter davor angebracht ist, damit die Tiere sich nicht verletzen. Wasser und „Rohboden“ in der Nähe bereitstellen, damit die Tiere ihre Röhren verschließen können.
  • Blühstreifen und blühende Inseln – fünf Quadratmeter reichen schon: Im Garten, in der Stadt, auf der Wiese Insektenpflanzen und auch Futterpflanzen für Raupen wie z.B. die Wilde Möhre säen (Saatgutmischungen gibt es im Handel und bei der AGU). Keine gefüllten Blüten verwenden, denn die haben keinen Nektar und keinen Blütenstaub.
  • Beim Mähen blühende Inseln stehen lassen. Besser noch: Nur einmal mähen, und zwar Anfang August.

Wissenschaft

Fakt: 14. Zurzeit findet das größte Massenaussterben seit dem Zeitalter der Dinosaurier statt (Barnosky et al., 2011). Weltweit sterben Arten derzeit 100- bis 1000-mal schneller aus als vor dem Beginn menschlicher Einflüsse (Ceballos et al., 2015; Pimm et al., 2014). In den letzten 500 Jahren sind über 300 Landwirbeltierarten ausgestorben (Dirzo et al., 2014); die untersuchten Bestände von Wirbeltierarten sind zwischen 1970 und 2014 im Durchschnitt um 60 % zurückgegangen (WWF 2018). https://www.scientists4future.org/stellungnahme/fakten/

Impuls: AGU-Schwelm e.V., scientists4future